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Pharma-Experten diskutieren neue Vergaberichtlinien und europaweite Entwicklung öffentlicher Ausschreibungen

München – Mehr als 40 Vertreter der Pharmaindustrie haben die kürzlich stattgefundene Pharma-Fachtagung von PSE und 1stLine e.K. besucht, um sich über die neusten Trends, Lösungen und Spezial-Know-how rund ums Rabattvertragsmanagement zu informieren. Die Vorträge zahlreicher Experten aus der Pharmaindustrie befassten sich unter anderem mit den aktuellen Änderungen im Vergaberecht und der Verzahnung zulassungsrechtlicher Aspekte innerhalb der Eignungsprüfungen.

Das Beratungsunternehmen PSE und der Business Intelligence-Anbieter 1stLine e.K. hatten zu Ihrer 2. gemeinsamen Pharmatagung eingeladen, um über die anstehenden Veränderungen des Vergaberechts zu informieren und zu diskutieren. In seinem Eröffnungsvortrag fasste Rechtsanwalt Dr. Sven Brockhoff von der Anwaltskanzlei CMS Hasche Sigle die wichtigsten Änderungen des Vergaberechts 2016 aus der Sicht der Bieter zusammen. Hervorzuheben seien dabei die verbindliche Einführung der E-Vergabe (die elektronische Angebotsabgabe wird spätestens ab 18. April 2018 verbindlich) sowie die Verkürzung der Angebotsfristen. „Die Angebotsfrist von derzeit mindestens 52 Tagen im offenen Verfahren kann auf mindestens 35 bzw. mindestens 30 Tage bei elektronischer Abgabe verkürzt werden“, so Brockhoff.

Neu sei auch die Gleichstellung des offenen und nicht offenen Verfahrens. Auftraggeber hätten zukünftig ein Wahlrecht, welche Verfahrensart sie anwenden. Wichtige Bestandteile der Vergaberechtsreform seien außerdem die Neustrukturierung der Ausschluss- und Eignungskriterien sowie die Einführung der „Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung“ (EEE). Die Eigenerklärung solle Bietern die Erbringung von Eignungsnachweisen in laufenden Vergabeverfahren erleichtern, indem die Bieter die von der Eigenerklärung erfassten Eignungsnachweise erst nach Angebotsabgabe vor Zuschlagserteilung vorlegen können.

Quellenangabe: "obs/1stLine e.K./Nathalie Aufrecht"
Quellenangabe: „obs/1stLine e.K./Nathalie Aufrecht“

Dr. Christine Echarti, Inhaberin von accurati Arzneimittel-Dokumentation, beleuchtete zulassungsrechtliche Aspekte bei Ausschreibungen. Welche Möglichkeiten zur Teilnahme an einer Ausschreibung hat beispielsweise ein Pharma-Unternehmen, das die Zulassung für ein Arzneimittel nicht, noch nicht oder nicht mehr hat? Neben der Kenntnis des Vergaberechts bedarf es hier tiefer Expertise im Bereich der Arzneimittelzulassung, um die zur Verfügung stehenden Alternativen vom Mitvertriebsrecht, der Übernahme einer Zulassung, der Standardzulassung, der Zulassung parallel importierter Arzneimittel oder der Zulassung von Doubletten und Duplikaten im Kontext der Zeitachsen der Tenderfristen optimal anzuwenden.

Die europaweite Entwicklung des Tender-Managements wurde von Christoph Müller, European Tender Lead bei der Pfizer Pharma GmbH, dargestellt. Mit großem Interesse aller Veranstaltungsteilnehmer wurden die höchst unterschiedlichen Vergabepraktiken in den Nachbarländern wahrgenommen, in denen unter anderem elektronische Auktionsverfahren über die Vergabe entscheiden – ein Novum in Deutschland, dessen Einsatz in der Praxis bis auf weiteres abzuwarten bleibt. „Auch Ausschreibungen in Kollaboration mit mehreren Staaten sind in Zukunft denkbar“, so Müller.

Ingo Hüser, Inhaber des auf die Pharmabranche spezialisierten Business Intelligence-Anbieters 1stLine e.K., präsentierte neue Lösungen, mit deren Hilfe sich Vertragsbeziehungen komfortabel auswerten lassen. So können Pharma-Unternehmen insbesondere die Auswirkungen von Verträgen nachvollziehen. An Bedeutung gewinnen werden professionelle Lösungen für das Controlling, da sich aus der Beschleunigung der Vergabeverfahren die Entscheidungsprozesse auf Managementebene erheblich verkürzen werden. „Die Professionalität von Controlling-Instrumenten, wie wir sie aus Marketing und Vertrieb von Pharmaunternehmen kennen, ist im Bereich des Market Access größtenteils noch nicht angekommen“, bestätigt Hüser. Dies ist das Ergebnis einer repräsentativen Marktbefragung, über die Hüser bereits in der Fachzeitschrift Pharmind berichtete.

Auf die Folgen verkürzter Angebotsfristen wies Rainer Aufrecht, Inhaber der auf die Pharmabranche spezialisierten Unternehmensberatung PSE, als Moderator der Veranstaltung hin. „Unternehmen die es nicht verstehen, wichtige strategische Fragestellungen der Tender-Teilnahme bereits im Vorfeld der tatsächlichen Publikation im Europäischen Amtsblatt zu klären und zu entscheiden, werden es kaum noch schaffen mit wettbewerbsfähigen Preisen zu bieten“, warnt Aufrecht. Er wagte die Einschätzung, dass selbst ausschreibende Stellen Systeme und Prozesse aller Voraussicht nach technisch nicht rechtzeitig auf die neue E-Vergabe umstellen werden. In der Folge könnte es zu einer Konzentration vorgezogener Publikationen im ersten Quartal 2016 kommen, um noch die derzeit gültigen Verfahren anwenden zu können. „Eine Konzentration dieser Publikationen auf eine kurze Zeitperiode wäre eine Herausforderung an Entscheider, Tendermanager und Systeme und fordert somit heute schon eine Professionalisierung im Bereich Monitoring, Reporting und Controlling“, so Aufrecht.

Die nächste Pharma-Tagung von PSE und 1stLine e.K. findet im September 2016 in Stuttgart statt. Detaillierte Informationen zu der Tagung werden in Kürze auf der Veranstaltungs-Webseite www.rabattvertrag.com veröffentlicht. Dort können sich Interessenten direkt für die Teilnahme an der Veranstaltung anmelden. Für Vertreter von (Bio-)Pharma- und Medizintechnik-Unternehmen ist die Teilnahme kostenlos.

Quelle: ots

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