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Hohes Risiko für Senioren im Straßenverkehr

Wer im Jahr 1970 in New York oder Tokio City lebte, gehörte – trotz der über 10 Millionen Menschen in diesen Städten – weltweit zu einer Minderheit. Heute gibt es schon 23 dieser sogenannten Megastädte, in denen fast jeder 10. Mensch der Welt lebt. Die 2.3 Milliarden Menschen, um die die Weltbevölkerung ab heute bis zum Jahr 2050 anwachsen wird, werden laut Experten allein von städtischen Gebieten aufgenommen. Damit werden gemäß einer UN-Studie rund 67 Prozent aller Menschen im Jahre 2050 auf der Erde in Städten leben. Die Zahl der Megastädte könnte bis dahin auf weltweit bis zu einhundert ansteigen. Bedenkt man die Menschenmassen, die sich darin täglich bewegen müssen und den unerträglichen Straßenverkehr, ist klar, dass unsere heutigen Verkehrskonzepte den Ansprüchen nicht mehr standhalten werden. Bis neue Konzepte umgesetzt sind, müssen die schwächsten Teilnehmer im Straßenverkehr geschützt werden. „Es steht fest, dass in einer alternden Gesellschaft das Thema Verkehrssicherheit an Bedeutung gewinnt. In Deutschland, den USA und Europa wird sich die Zahl der über 75-Jährigen bis zum Jahr 2050 verdoppeln, in Asien sogar vervierfachen. Allein bis zum Jahr 2030 werden in Deutschland rund 13,5 Prozent der Menschen über 75 Jahre alt sein. Lebensqualität im Alter bedeutet aber auch dann noch mobil zu sein, wenn Sehen, Hören, Beweglichkeit und Reaktionsfähigkeit schleichend abnehmen“, erklärt Brigitte Miksa, Demografie-Expertin der Allianz.

Da die Menschen in den meisten Teilen der Welt eine immer höhere Lebenserwartung haben, steigt die Zahl älterer Menschen im Straßenverkehr rapide an. Das Allianz Zentrum für Technik (AZT) hat im Rahmen der Mitgliedschaft in der Europäischen Charta für Straßenverkehrssicherheit gemeinsam mit dem Europäischen Verkehrssicherheitsrat die Unfallhäufigkeit bei älteren Menschen untersucht und festgestellt: Während die Unfallhäufigkeit bei den über 65-jährigen Senioren erstmal unauffällig bleibt, nimmt sie ab dem 75. Lebensjahr überproportional zu. “Ursache für die Unfälle in der Altersgruppe über 75 ist oft, dass ältere Menschen in komplexen Situationen schneller den Überblick verlieren“, so Christoph Lauterwasser, Geschäftsführer des AZT.

Fahrerfahrung schützt bis zum 75.ten Lebensjahr

„Zunächst kompensieren ältere Menschen zunehmende körperliche Schwächen mit der großen Erfahrung am Steuer oder einer vorsichtigen Fahrweise“, so Christoph Lauterwasser. Im Schnitt bleibt deshalb die Anzahl der verursachten Unfälle bei älteren deutlich unter dem Niveau der ganz jungen Fahrer.

Auffallend ist jedoch, dass sich ab einem Alter von 75 Jahren die Fahrfehler merklich häufen. “Die Gruppe der über 75-Jährigen hat im Vergleich zu den jüngeren Senioren ein um 45 Prozent höheres Risiko, einen Unfall zu verursachen”, zeigt Christoph Lauterwasser auf.

Ältere Menschen sind häufiger Unfallopfer als Fußgänger oder Radfahrer

Viele Senioren verzichten laut AZT von selbst auf das Fahren und geben freiwillig den Führerschein ab. Doch auch als Fußgänger oder Fahrradfahrer lauern Gefahren: So sind zwei Drittel aller Verkehrstoten unter den Senioren nicht die Verursacher eines Unfalls, sondern Opfer, während im Vergleich jüngere Verkehrsteilnehmer nur zu einem Drittel Opfer und zu zwei Dritteln Verursacher eines Unfalls sind.

Dabei können für Senioren auch kleinere Maßnahmen an der Verkehrsinfrastruktur sehr wirkungsvoll sein: Mehr Sitz- und Rastgelegenheiten für Fußgänger, längere Ampelschaltungen oder geringere Laufgeschwindigkeiten von Rollbändern- und Treppen könnten das Leben älterer Menschen sicherer machen.

Länger sicher Autofahren: Lösungen an der Technik des Autos

Innovative Fahrzeugtechnologien – sogenannte Fahrer-Assistenz-Systeme – können das Fahren für alle und besonders für ältere Menschen erleichtern und somit länger sicheres Fahren ermöglichen. Das AZT begleitet die Entwicklung innovativer Fahrer-Assistenz-Systeme durch regelmäßige Unfallstruktur- und Wirksamkeitsanalysen.

Untersucht wurden die vier noch in der Entwicklung befindlichen Fahrer-Assistenz-Systeme „Aktive Gefahrenbremsung“, „Kreuzungsassistenz“, „Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer“ und „Integrierte Querführung“. „Bei flächendeckender Ausstattung mit beispielsweise diesen Systemen, könnte rund die Hälfte der Unfälle mit Personenschäden vermieden werden oder deren Schwere reduziert werden“, blickt Lauterwasser in die Zukunft. Bei der Weiterentwicklung der Fahrer-Assistenz-Systeme muss allerdings ein großes Augenmerk auf der einfachen Bedienung wie beispielsweise der Lesbarkeit der Displays liegen – sonst erfahren diese bei Senioren keine Akzeptanz.

Mobilität im Alter – ein wichtiger Faktor der Lebensqualität

Mobilität bedeutet gerade im Alter soziale Aktivitäten und gesellschaftliche Teilhabe. Dies führt zu höherer Zufriedenheit und sichert Lebensqualität. Gemäß der Studie des AZT erfüllt das Auto den Bedarf nach individueller Mobilität auch bei Senioren und stellt so das Verkehrsmittel der Wahl dar: Annähernd zwei Drittel aller Strecken werden mit dem Pkw zurückgelegt.

Viele Länder reagieren auf die steigende Zahl der älteren Menschen im Straßenverkehr mit strengen Auflagen, wie zeitlich befristeten Führerscheinen, deren Verlängerung an eine medizinische Untersuchung geknüpft ist. Die Unfallforscher des AZT lehnen jedoch obligatorische Seh- und Gesundheitstests ab. “Freiwillige Tests sind natürlich empfehlenswert”, so Lauterwasser. „Aber das Alter an sich sehen wir noch nicht als ausreichenden Grund, das Führerscheinrecht einzuschränken.“

Gerade für die ganz jungen und die alten Menschen ist der Straßenverkehr schon heute besonders gefährlich. Verkehrskonzepte von morgen müssen sich darauf konzentrieren, dass der Verkehr gerade in Megastädten verkraftbar bleibt und dabei allen Altersgruppen gerecht wird. „In einer alternden Gesellschaft müssen die Bedürfnisse älterer Menschen stärker in den Fokus rücken. Es erfordert angesichts der demografischen Herausforderung die Zusammenarbeit der gesamten Gesellschaft, um sichere Mobilität für alle zu ermöglichen“, fordert Brigitte Miksa.

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