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Krise der Automobilzulieferer: Transformation durch Sanierung?

Die Produktionsbedingungen für Automobilzulieferer gerieten im Laufe der Pandemie immer wieder unter Druck – nun hat sich die Lage im Zuge des Ukraine-Kriegs nochmals verschärft. Für Betriebe der Automobilbranche, die in einen Krisenzustand geraten, kann eine rechtzeitige gerichtliche Sanierung die Rettung sein.

Laut ifo-Institut sind die Erwartungen der deutschen Automobilindustrie für das laufende Jahr stark eingebrochen. Kaum verwunderlich: Mehr als 90 Prozent der Unternehmen in der Branche leiden seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs unter einem nochmals verstärkten Materialmangel. Dies tritt zu den allgemein gestiegenen Anforderungen im Zusammenhang mit dem Mobilitätswandel, wie beispielsweise Elektrifizierung, Individualisierung und neuen Wettbewerbern wie Tesla, Uber oder Car-Sharing-Portalen, noch hinzu.

Die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs zeigen sich indes deutlich; vielerorts stellen die Produktionsstätten der großen Marken ihren Betrieb vorübergehend ein. Doch Automobilzulieferer, die meist dem KMU-Segment angehören, müssen sich auf die Bestellmengen der Fahrzeughersteller verlassen können. Denn: Wenn die Chargen kurzfristig eingekürzt und beim Zulieferer auf Abruf gehalten werden, produziert dieser zu viel und bleibt für unbestimmte Zeit auf dem Lagerbestand sitzen. Hinzu kommen die finanziellen Einbußen, wenn Großaufträge storniert oder verschoben werden. Immer mehr KMU leiden daher unter einer prekären oder gar existenzbedrohenden Geschäftslage.

Raum Stuttgart: Produktionsausfälle und stillstehende Bänder

Im Raum Stuttgart wurden in Folge des Kriegsausbruchs viele Bänder der Fahrzeughersteller zeitweise stillgelegt, beziehungsweise geringere Chargen hergestellt. Zu Produktionsausfällen kam es unter anderem in den Audi-Werken in Neckarsulm und Heilbronn. Auch die Fertigung von Porsche in Stuttgart-Zuffenhausen oder bei Mercedes im Sindelfinger-Werk wurde gedrosselt oder ganz heruntergefahren. Dabei fehlt es nicht nur seit geraumer Zeit an Halbleitern und Chips, vor allem der Mangel an Kabelbäumen aus der Ukraine ist eine Herausforderung.

Sanierung als mögliche Rettung

Der Stillstand bei den großen Marken bedroht vor allem die Existenz der regionalen Zulieferer. In manchem Fall kann die umfassende gerichtliche Sanierung einen Ausweg aus der verfahrenen Situation bieten: Durch sie kann die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens kurzfristig wiederhergestellt und der Betrieb an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden. Unter anderem können während eines Insolvenzverfahrens unrentable Verträge aufgelöst oder überflüssige Vermögensgegenstände abgestoßen werden. Zudem kann eine gründliche Revision des

Angebots, der Prozesse sowie der Firmenstruktur erfolgen. Neben der Regelinsolvenz, in der ein Insolvenzverwalter Sanierungsmaßnahmen etwa innerhalb eines Planverfahrens umsetzt, bietet gerade die Insolvenz in Eigenverwaltung eine aussichtsreiche Option, um Unternehmen zu restrukturieren und neu zu positionieren.

Möglichkeiten der Eigenverwaltung

Prinzipiell muss ein Insolvenzantrag nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit eines Betriebs innerhalb von drei Wochen gestellt werden – sonst kann der Vorwurf einer Insolvenzverschleppung im Raum stehen. Bei einer Überschuldung gilt ein Zeitraum von sechs Wochen. Doch es empfiehlt sich, schon weitaus früher Maßnahmen einzuleiten, sollte sich eine mögliche Zahlungsunfähigkeit abzeichnen. Dazu gehört beispielsweise, insolvenzrechtlichen Beistand in das Unternehmen zu holen, die mutmaßlich anstehende Sanierung zu planen und mit zentralen Kunden und Stakeholdern über die Situation zu sprechen.

Kommt es zu einem Eigenverwaltungsverfahren, wird das Unternehmen nicht durch einen bestellten Insolvenzverwalter fremdgeführt – wie es im Regelverfahren der Fall ist. Stattdessen leitet die Geschäftsführung hier das operative Geschäft während des Verfahrens unter Aufsicht eines gerichtlich eingesetzten Sachwalters weiter. Dieser vertritt die Interessen der Gläubiger und kontrolliert das Schuldner-Unternehmen. Eine weitere Vorgabe des Insolvenzgerichts ist zudem meist die Begleitung der Neuaufstellung durch eine fachlich geeignete Beratung in Sanierungs- und Insolvenzangelegenheiten.

Voraussetzungen für die Eigenverwaltung

Für die Genehmigung einer Eigenverwaltung wurden im letzten Jahr die Bedingungen noch einmal verschärft. Damit ein solches Insolvenzverfahren angeordnet wird, muss mit dem Insolvenzantrag zeitgleich unter anderem ein Finanzplan, eine Erklärung über Krisenursachen sowie eine Aufstellung der geplanten Gegenmaßnahmen eingereicht werden. Sollten erste Krisenanzeichen auftreten, ist das unmittelbare Hinzuziehen entsprechender Expertenmeinungen deshalb ratsam. Dies kann die Vorbereitung erleichtern und damit auch die Aussichten auf ein Eigenverwaltungsverfahren erhöhen. Wird rechtzeitig agiert, kann auch eine Eigenverwaltung mit Schutzschirmverfahren angestrebt werden. Letzteres birgt im Zuge einer Sanierung weitere Vorzüge.

Die Eigenverwaltung mit Schutzschirmverfahren

Wer eine drohende Zahlungsunfähigkeit frühzeitig erkennt, hat die Möglichkeit, die Eigenverwaltung im Schutzschirmverfahren zu beantragen. Dieses greift allerdings nur vor Eintritt der tatsächlichen Insolvenz und bei realistischen Aussichten auf eine Sanierung. Zur Orientierung: Der Prognosezeitraum für eine drohende Zahlungsunfähigkeit liegt bei 24

Monaten. Ist es wahrscheinlich, dass ein Unternehmen innerhalb dieser Frist an einem Punkt seinen aktuellen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr wird nachkommen können, gilt es als drohend zahlungsunfähig.

Im Rahmen des Schutzschirms bekommen Unternehmen – im Gegensatz zur Eigenverwaltung ohne Schutzschirm – nach Antragsstellung Zeit gewährt, um Maßnahmen für die Neuaufstellung auszuarbeiten, welche nach Verfahrenseröffnung angewandt werden. Die Führung des operativen Geschäfts verbleibt in diesem Fall ebenfalls bei der Geschäftsleitung – sie wird aber unter die Aufsicht eines Sachwalters gestellt. Neben dem zusätzlichen Zeitfaktor sind Unternehmen durch den bewilligten Schutzschirm außerdem vor den meisten Vollstreckungsmaßnahmen der Gläubiger gefeit und können oftmals schon vom Insolvenzausfallgeld profitieren. Hierbei übernimmt die Bundesagentur für Arbeit die Löhne und Gehälter der Beschäftigten für bis zu drei Monate.

Mehr Handlungsspielraum bei frühzeitigem Handeln

Durch ein gerichtliches Sanierungsverfahren können sich Unternehmen oftmals erfolgreich neu aufstellen und eine Abwicklung des Betriebs vermeiden. Vorzüge sind hierbei die Lohn- und Gehaltfortzahlung der Belegschaft durch die Bundesagentur für Arbeit für bis zu drei Monate. Bei entsprechender Firmengröße kann dadurch kurzzeitig ein signifikanter Liquiditätszuwachs entstehen. Außerdem können andere Verbindlichkeiten wie Steuerzahlungen oder Sozialversicherungsbeiträge zeitweise ausgesetzt werden. So verschaffen sich Automobilzulieferer Zeit und Mittel, um ihr Geschäft unter Gesichtspunkten der aktuell vorherrschenden Krisensituation neu auszurichten: Von der Materialbeschaffung über Vertragsneugestaltungen, Standortkoordinierung bis hin zum Leistungskatalog können viele Anpassungen vorgenommen werden. Der entsprechende Antrag auf ein Schutzschirmverfahren, eine Insolvenz in Eigenverwaltung oder ein Regelverfahren darf jedoch nicht zu lange hinausgezögert werden – den Verantwortlichen können strafrechtliche Konsequenzen drohen und die Erfolgsaussichten einer Sanierung werden bei Hinauszögern umso geringer.

Quelle: Tiefenbacher Insolvenzverwaltung

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