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Höhere Umweltverträglichkeit durch neue Technologien

Stuttgart

Die Luftfahrt-Industrie arbeitet an immer leiseren, energieeffizienteren und saubereren Flugzeugen und deren Antrieben. Ziel ist es, das Fliegen noch umweltverträglicher zu machen.

Neue Technologien, Werkstoffe und Verfahren sind gefordert – eine Herausforderung für den Technologiestandort Deutschland.

Neue Techniken könnten dazu beitragen, den wachsenden Luftverkehr beim An- und Abflug leiser zu machen.

Quellenangabe: "obs/dokeo GmbH/BDLI"
Quellenangabe: „obs/dokeo GmbH/BDLI“

Wohin die Flugreise künftig gehen soll, wurde in der jüngst veröffentlichten „Luftfahrtstrategie der Bundesregierung“ deutlich: „Die Luftfahrtbranche spielt für das Industrieland Deutschland technologisch und ökonomisch eine strategische Rolle. Ein effektives Luftverkehrssystem gehört zu den entscheidenden Voraussetzungen sowohl für die weltweite Mobilität als auch die globale Arbeitsteilung in ihrer heutigen Form. Sie erlaubt es, die global vorhandenen Ressourcen möglichst effizient einzusetzen. Deutschland als weltweit stark vernetzte und hoch integrierte Volkswirtschaft profitiert in besonderem Maße davon.“ Nicht zuletzt für die Hersteller von Flugzeugen und ihre Zulieferer bedeutet das absehbare weltweite Wachstum des Luftverkehrs ein „äußerst positives Entwicklungspotenzial.“

Große Chancen also, allerdings verbunden mit äußerst ambitionierten Herausforderungen an die Technik. Denn der Luftverkehr muss sich bei den erwarteten hohen Wachstumsraten verstärkt mit seinen Auswirkungen auf die Umwelt auseinandersetzen. Bereits 2007 hat sich der Branchenverband BDLI (Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie) unter dem Motto „Wachstum verantwortlich gestalten“ dem Leuchtturmprogramm „Öko-effizientes Fliegen“ verschrieben. Bei der Betrachtung des Luftverkehrs geht es den Mitgliedsunternehmen nicht allein um den verringerten Ausstoß von Kohlendioxid und anderen Klimagasen durch die Luftfahrzeuge, sondern auch um den Ressourcen- und Umweltschutz bei der Produktion und Nutzung, die Verminderung von Lärm und natürlich um die Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen.

Quellenangabe: "obs/dokeo GmbH/BDLI"
Quellenangabe: „obs/dokeo GmbH/BDLI“

Dazu sind ständige technische Weiterentwicklungen insbesondere dort notwendig, wo Schadstoff und Lärmemissionen hauptsächlich entstehen, also an der Flugzeugzelle und den Triebwerken. Aber auch die Anflugverfahren und die operativen Abläufe an den Flughäfen müssen ihren Beitrag zu einem leiserem und effizienteren Luftverkehr leisten. Erst recht angesichts des geradezu visionären Ziels der Internationalen Flug-Transportvereinigung IATA, die nichts Geringeres als eine „Zero Emission Aviation“ anstrebt, also einen Null-Emissions-Luftverkehr. Das heißt, die Luftfahrt muss sich dazu von der Abhängigkeit von fossilen Treibstoffen lösen und auf neue, nicht-fossile Energieträger wie Biosprit und regenerativ erzeugten Wasserstoff umsteigen. Das kann allerdings nur im Zusammenwirken mit der Energiewirtschaft und den anderen Verkehrsträgern sowie der Politik geschehen. Vor knapp zwei Jahren haben sich angesichts dieser Herausforderung bereits 20 Unternehmen und Organisationen zum Verein „Aviation Initiative for Renewable Energy in Germany“ (AIREG) zusammengeschlossen. Ziel der Initiative ist es, den Anteil regenerativer Energien im Luftverkehr zu erhöhen. Zu den Gründungsmitgliedern gehören Universitäten, Fluggesellschaften, Flughafenbetreiber, Flugzeugbauer und Kraftstoffproduzenten.

Global bedeutet dass eine große gesellschaftliche und finanzielle Herausforderung hinsichtlich Infrastruktur und Finanzierung, insbesondere wenn Erzeugung und Verteilung alternativer Energieträger über die gesamte Lieferkette hinweg nachhaltig gestaltet und nicht etwa in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion treten soll.

Dabei haben moderne Flugtriebwerke schon einen erstaunlich hohen technischen Standard erreicht. Sie gehören zu den effizientesten Verbrennungsmaschinen überhaupt. Der Wirkungsgrad der einzelnen Komponenten – Fan, Verdichter, Brennkammer und Turbine – erreicht heute schon durchgehend Werte von deutlich über 90 Prozent des physikalisch Möglichen. Dies noch weiter zu verbessern ist keine leichte Aufgabe und kostet viel Geld: Die Entwicklung eines neuen Triebwerks kann leicht eine Milliarde Euro verschlingen. Alles in allem also eine immense technische und auch finanzielle Herausforderung, die nach immer neuen Ideen und ganzen Heerscharen von Luftfahrtingenieuren verlangt.

Die Flugzeugindustrie konnte den Durchschnittsverbrauch und damit auch den Kohlendioxid-Ausstoß ihrer Maschinen in den letzten 40 Jahren um 70 Prozent senken. Der weltweite Luftverkehr trägt derzeit nur mit 2,5 Prozent zum anthropogenen, also menschenverursachten Klimagas-Ausstoß bei. So hat es das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) errechnet. Nach den neuesten Berechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) sind für den weltweiten Ausstoß von CO2-Gasen zu 41 Prozent die Energieversorger verantwortlich; Industrie und private Haushalte tragen 20 bzw. sechs Prozent bei, und das gesamte Transportwesen, vom Auto über den LKW, die Bahn und das Schiff bis zum Luftverkehr insgesamt 20 Prozent. Zehn Prozent entfallen auf „Sonstiges“, also zum Beispiel auf die Landwirtschaft und Baumrodungen.

Ungeachtet der Relationen hat sich die Luftfahrtbranche für die nächsten 40 Jahre ehrgeizige Ziele auf die Agenda geschrieben. Laut dem europäischen Luftfahrtforschungsbeirat „Advisory Council for Aeronautics Research in Europe“ (ACARE) soll der Klimagasausstoß bis 2050 gegenüber dem Jahr 2000 um 75 Prozent gesenkt werden.

Der überwiegende Teil der geforderten Verbesserungen ist ACARE zufolge nur durch neue technische Ansätze erreichbar: Noch mehr Leichtbau, effizientere Triebwerke, neue aerodynamischere Flugzeugdesigns. Für eine solche Art Ökorevolution des Fliegens ist und bleibt der Antrieb eines Flugzeugs ein entscheidendes Element für zusätzliche Effizienzgewinne. Weitere essenzielle Ansätze zur Erreichung dieser ehrgeizigen Ziele sind optimierte Flugrouten unter Nutzung von Höhenwinden, flüssigere Abfertigung an den Flughäfen oder bessere Auslastung der Maschinen.

GTF, XWB, ORT – Neue Triebwerke bringen drastische Senkungen von Lärm und Treibstoffverbrauch

Die Triebwerkingenieure haben bereits große Fortschritte erzielt. Sie haben die Temperaturen und Verdichtungsverhältnisse in ihren Aggregaten erhöht, sie pressen die Luft mit leichteren Fanschaufeln ins Triebwerk, sie verwenden Beschichtungen und Verbundwerkstoffe, sie kühlen die Turbinenschaufeln, indem sie Luft durch feine Löcher um die Schaufeln strömen lassen.

Triebwerkstechnik der Zukunft wird auch beim Münchner Hersteller MTU Aero Engines mit seinen 8500 Beschäftigten großgeschrieben. MTU hat im Verbund mit dem amerikanischen Triebwerksspezialisten Pratt & Whitney vor wenigen Jahren die Geared Turbo Fan (GTF)-Technologie vorgestellt. Die Technik mutet so genial wie einfach an: Ein Getriebe lässt unterschiedliche Drehzahlen von Fan und Niederdruckturbine im Triebwerk zu – deshalb der Name Getriebefan. Der Fan – also das für die einsteigenden Flugpassagiere vorn sichtbare Bläserschaufelrad des Triebwerks – läuft deutlich langsamer als bisher, die Turbine deutlich schneller. Etwa 1:3 beträgt das Übersetzungsverhältnis. Mit dieser Entkopplung von Fan und Niederdruckturbine lassen sich beim Treibstoffverbrauch und bei den Lärmemissionen gegenüber der bisherigen Bauweise ganz wesentliche Verbesserungen erzielen: Um die 15 Prozent beim Sprit und damit gleichzeitig beim CO2-Ausstoß, um 50 Prozent beim Lärm sowie über 50 Prozent weniger Emission bei den Stickoxiden. Kaum wurde der GTF als Triebwerksoption für den Airbus A320neo angeboten, erhielt der Flugzeugbauer für die neue Variante über 300 Bestellungen oder Kaufabsichten. Inzwischen liegen insgesamt 3000 Triebwerksbestellungen für den GTF vor. Schon in wenigen Jahren werden erste Flugzeuge mit dieser Triebwerkstechnologie in der Luft zu sehen sein. Und im Getriebefan steckt weiteres Einsparungspotential, bereits heute arbeiten Ingenieure der MTU schon an Stufe zwei und drei des Getriebefans, um die CO2- und NOX-Emissionen sowie den Lärm konsequent zu reduzieren.

Auch Rolls-Royce Deutschland ist ein führender Triebwerkshersteller. Das Unternehmen verfügt über die vollständige Systemfähigkeit zur Entwicklung, Herstellung und Wartung von Triebwerken. In Deutschland werden vorwiegend Triebwerke für Geschäfts-, Regional- und Mittelstreckenflugzeuge gefertigt. Zusätzlich haben die Ingenieure an den deutschen Rolls-Royce Standorten wichtige Aufgaben für den britischen Rolls-Royce Konzern übernommen, wie etwa die Ausführung von Komponenten- und Materialtests und auch zahlreiche Entwicklungsarbeiten für die Antriebe großer Langstreckenflugzeuge, zum Beispiel für das Trent XWB Triebwerk für den Airbus A350. In Dahlewitz bei Berlin allein arbeiten 2200 Menschen von den weltweit 45000 Rolls-Royce Beschäftigten an der Zukunft des Fliegens. Das neulich von der europäischen Flugsicherheitsagentur EASA zertifizierte Triebwerk Trent XWB, das an einem Airbus-A380-Flugerprobungsträger bereits umfangreiche Testflüge absolviert hat, wird dazu beitragen, dass die A350 circa 25 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen wird als die vorherige Flugzeuggeneration und somit auch entsprechend weniger CO2 produziert. 617 Festbestellungen von 35 Kunden aus aller Welt stehen in den Airbus-Auftragsbüchern.

Aber Rolls-Royce denkt auch noch weiter in die Zukunft und arbeitet an der so genannten „Open-Rotor Technologie“. Dieser Triebwerkstyp besitzt zwei nicht ummantelte, gegenläufig rotierende Propeller. Durch den Verzicht auf die Verkleidung der Rotorschaufeln („Containment“) werden ultrahohe Nebenstromverhältnisse von bis zu 1:50 möglich, was eine Treibstoffeinsparung von 25 Prozent verspricht. Solche Triebwerke wären im Einsatz an Kurz- und Mittelstreckenflugzeugen am effektivsten. Flugzeuge mit Open-Rotor-Antrieb dürften aber nicht vor 2030 auf den Markt kommen. Aufgrund ihrer großen Rotor-Durchmesser erfordern sie auch völlige neue Flugzeug-Konstruktionen.

Die gesamte deutsche Luftfahrtbranche steckt im Durchschnitt um die 17 Prozent ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung. So hat es der Branchenverband BDLI (Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie) errechnet. Ein Forschungsaufwand also, der doppelt bis dreifach so hoch liegt wie die durchschnittlichen Ausgaben der deutschen Auto- und Maschinenbauer, die zwischen fünf und zehn Prozent ihres Umsatzes für Neuentwicklungen und Forschung ausgeben. Schon deswegen ist die Luftfahrtindustrie eine Branche, deren Markteintrittschancen angesichts der enormen Kosten sehr hoch sind. Die Bundesregierung will ihr in ihrem „Luftfahrtstrategie“-Papier dazu verhelfen, „dass die Luftfahrtbranche in Deutschland weltweit Vorreiter für ein leistungsfähiges, sicheres und umweltverträgliches Luftfahrtsystem wird.“

Ullrich Isermann, Fluglärmexperte beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist sich sicher, dass die neuen Techniken letztlich den von so vielen Flughafen-Anrainern befürchteten Lärmzuwachs durch weiter steigenden Flugverkehr ausgleichen können. Aber welche Zukunftsprojekte die Luftfahrt- und in diesem Fall die Triebwerksindustrie auch gerade entwickelt, Jean Botti, Forschungsvorstand beim europäischen Luftfahrtkonzern EADS, muss dann doch ein wenig Wasser in den Fortschrittswein schütten: „Anders als bei der Vorstellung eines neuen Autos können wir keine Risiken eingehen. Alles muss extrem zuverlässig sein, alles muss zertifiziert werden. Das bremst uns mitunter etwas aus.“ Und vergrößert den Hunger nach immer wieder neuen Ideen.

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