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Traumjob Manager?! – Die Rolle des Managements hat sich verändert

Glaubt man modernen Organisationstheorien, hat sich die Rolle des Managements massiv geändert. Nicht mehr durch Hierarchie abgesicherte Machthaber, die mit ihren rational legitimierten Problemlösungen über die Mitarbeiter herrschen, sind gefragt, sondern vielseitige Koordinatoren, die das Spektrum von delegativer Führung von Experten ebenso wie das autoritäre Durchsetzen oftmals unpopulärer Entscheidungen beherrschen. Aber ein Punkt ist in allen zeitgemäßen Theorien augenfällig: Der Umgang mit Komplexität ist ein ganz zentraler Bezugspunkt.

Der Umgang mit Komplexität als zentrale Aufgabe des Managements findet sich sowohl in der konzeptionell ausgerichteten Literatur (zum Beispiel im St. Galler Managementansatz oder bei Luhmanns Organisationstheorie) als auch in eher empirischen Arbeiten (bspw. Friedli und Schuh in ihren Studien über Produktionsunternehmen). Das Managen von Komplexität rückt vor allem deswegen in den Mittelpunkt, weil davon ausgegangen wird, dass einige für Unternehmen relevante Umwelten durch nahezu explodierende Komplexität und schnelle Veränderungen gekennzeichnet sind.

Neue Herausforderungen für die Managementpraxis

Schenkt man den wissenschaftlichen Erkenntnissen Glauben, stellt sich die Frage, wie die Managementpraxis mit diesen neuen Herausforderungen umgeht. Daneben wird in diesem Beitrag auch diskutiert, welche Voraussetzungen das Management hat, mit der steigenden Komplexität umzugehen. Dabei interessieren weniger populäre Ideologien wie der Pauschalvorwurf von „Nieten im Nadelstreif“, sondern Analysen über die Arbeitsbedingungen und Voraussetzungen für das Management.

Wird Macht unattraktiv?

Obwohl eine Karriere in Unternehmen fast immer noch mit hierarchischem Aufstieg verbunden wird, ist eine zunehmende Zahl von Unternehmen damit konfrontiert, dass talentierte Mitarbeiter kaum noch an Managementpositionen interessiert sind. Das ist ein Indikator, dass Managementpositionen nicht mehr als so attraktiv betrachtet werden wie noch vor 20 Jahren. Schaut man in die Praxis, tauchen relativ rasch Hypothesen einer potenziellen Überforderung des Managements im Umgang mit Komplexität auf, die eine schwindende Attraktivität von Managementpositionen verständlich machen würden.

Ein bedeutender Indikator für Probleme bei der Komplexitätsbearbeitung ist die seit mehr als 20 Jahren steigende Zahl an sogenannten Managementmoden. Wie der mittlerweile emeritierte Mannheimer Organisationsprofessor Alfred Kieser bereits 1996 in seinem bekannten Artikel in dem wissenschaftlichen Journal „DBW“ gezeigt hat, neigen Manager dazu, auf die steigende Umweltkomplexität mit einfachen Konzepten zu reagieren. Diese versprechen geschickt, die Steuerbarkeit ihres Unternehmens auch bei steigender Komplexität zu gewährleisten. Business Process Reengineering (BPR), Lean Management, Total Quality Management (TQM), ISO 9000, neuerdings Six Sigma – die Liste derartiger Methoden ist lang. Sie sind aber weniger für die Anwender als für Buchautoren und Berater ein gutes Geschäft. Der Ansatz, steigende Komplexität mit einfachen Konzepten zu bewältigen, ist weder theoretisch argumentierbar, noch lassen sich in der Praxis nachhaltige und tiefgehende Verbesserungen hinsichtlich Unternehmensführung nachweisen. Die Folge der Erfolglosigkeit ist ein ständiger Wechsel der Methoden, ohne dem Management wirklich hilfreich zu sein. Das liegt hauptsächlich darin begründet, dass diese „Managementmoden“ auf mechanistischen Organisationsbildern beruhen. Diese an die Naturwissenschaften angelehnten simplen Organisationsvorstellungen sind aber auch Grundlage der Betriebswirtschaftslehre und des Bürokratismus.

Werkzeug der Unternehmenssteuerung

Insbesondere die auf der Mikroökonomie basierende Betriebswirtschaftslehre ist als Werkzeug der Unternehmenssteuerung sehr wertvoll, und BWL-Kenntnisse deshalb für Manager unabdingbar. Aufgrund der extremen Vereinfachungen, insbesondere bei der Abbildung sozialer Realitäten, ist die BWL aber nicht in der Lage, komplexe soziale Vorgänge wie tiefgehende Organisationsveränderungen oder radikale Innovationen in Organisationen auch nur annähernd abzubilden. Andererseits macht gerade die Einfachheit des Organisationsverständnisses die BWL attraktiv für die Praxis. Das umso mehr, als das Weltbild der mechanistischen Theorien sich gut mit der atheoretischen Praxis deckt. Auf der Strecke bleiben Manager, die versuchen, überwiegend auf Basis der BWL-dominierten akademischen Managerausbildung ihre Unternehmen zu steuern. Sie erleiden fast zwangsläufig Schiffsbruch mit ihrer auf Rationalität (genauer gesagt auf ihre eigene Rationalität) begründeten Lösungskonzepte.

Es ist gut beobachtbar, dass die Manager zum Durchsetzen der rationalen und damit vereinfachten Konzepte Macht einsetzen – in der Folge bürokratisiert das Unternehmen zunehmend. Diese Muster habe ich in mehreren Ausgaben des Jahrbuches „Austria Management Review“ analysiert. Auch in den USA findet sich die Diskussion über die simplen Theoriemodelle, die in der Praxis verwendet werden und bei steigender Komplexität mehr Schaden anrichten als sie nutzen. Der angesehene Stanforder Professor Jeffrey Pfeffer fragt beispielsweise in einem Artikel „Why do bad theories persist?“ und findet Antworten auch im akademischen System.

„Führung“ oder „Management“?

Um die Erwartungen ihrer Umwelt zu erfüllen und angesichts der schwachen theoretischen Basis, auf die Manager üblicherweise zurückgreifen müssen, bleibt ihnen oft gar nichts anderes übrig, als wie beschrieben zu agieren. Nur müssen sie dann oft eher als „Opfer“ denn als „Täter“ betrachtet werden. Dass dies aber in der Praxis so nicht üblich ist, zeigen Umfragen bei (Nachwuchs-) Führungskräftetrainings. Dort findet man überwiegend kein gemeinsames Verständnis, was denn nun „Führung“ oder „Management“ sei und warum beide wichtig für Organisationen sind. Aber der Großteil der in Seminaren und Lehrgängen befragten unteren oder mittleren Führungskräfte hält das obere Management des eigenen Unternehmens für „unprofessionell“ (allerdings ohne dabei den Begriff „professionell“ zu hinterfragen).

Professionalisierungsgrad von Management

Wissenschaftliche Analysen zum Professionalisierungsgrad von Management führen aber zu einem ähnlichen Ergebnis. Management ist keine Profession, es fehlt neben einer Standesvertretung, die auf Standards und Weiterentwicklung der Profession achtet, vor allem ein Kern an (akademischem) Wissen und eine Ausbildung, die eine Profession begründen. Würden Sie zu einem Arzt gehen, der im Vorberuf Fleischhauer war und dann vielleicht in drei einwöchigen „Arzt Development“ Ausbildungen Praxisvorstellungen vermittelt bekommt? Für Manager inmitten ihrer komplexen Umwelt ist eine derartige Karriere aber leider viel zu häufig Realität. Die fehlende Professionalisierung – insbesondere im Umgang mit hoher sozialer Komplexität – scheint ein Hauptgrund zu sein, warum Westeuropa in einer Phase immer effizienterer Ausbeutung alter Innovationen verharrt, radikale Veränderungen aber kaum möglich sind. Eine Wissensbasis, bestehend aus einer theoriebasierten akademischen Managementausbildung und einer darauffolgenden Praxisphase, wie in bestehenden Professionen wie unter Ärzten und Anwälten üblich, ist auch für das Management in unserer komplexen Welt unabdingbar.

Über den Autor

Prof. Dr. Rupert Hasenzagl ist Professor für Wirtschaftsingenieurwesen an der AKAD University, einer der größten Fernhochschulen in Deutschland. Seit 1991 unterrichtet er an Universitäten und Fachhochschulen zu den Themen General Management und Managementberatung.
Mehr Informationen gibt es auf www.akad.de.

Quelle: Prof. Dr. Rupert Hasenzagl/Gallip Media

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