AktuellUnternehmen

„Wir jagen nicht um jeden Preis Geschäftsvolumen.“

Interview mit Borislav Kostadinov, Vorstandsmitglied der ProCredit Holding, zum Hausbank-Konzept der ProCredit-Bankengruppe

Herr Kostadinov, das Zinsniveau, verschärfte Regulierung und fortschreitende Digitalisierung setzen den Bankensektor derzeit enorm unter Druck. Zudem konzentriert sich Ihr Geschäft auf einen ungewöhnlichen geografischen Schwerpunkt. Blicken Sie sorgenvoll in die Zukunft?

© ProCredit Holding AG & Co. KGaA
© ProCredit Holding AG & Co. KGaA

Überhaupt nicht. Natürlich merken wir sowohl die Auswirkungen der gestiegenen Anforderungen der Regulierungsbehörden, als auch die des Zinsniveaus. Was mich dabei aber sehr zuversichtlich stimmt, ist unser solides Geschäftsmodell: Wir betreiben effizientes, transparentes Bankgeschäft – schwerpunktmäßig in den aufstrebenden Ländern Südost- und Osteuropas – das präzise auf die Unterstützung kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) fokussiert ist. Mit den rund 3.500 Mitarbeitern (Stand 30. September 2016), die in unseren ProCredit Banken in Bulgarien, Serbien, Kosovo, Rumänien, Mazedonien, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Georgien, Ukraine, Moldawien und Griechenland beschäftigt sind, wollen wir die „Hausbank“ für KMU in Südost- und Osteuropa sein. Dies ist eine spannende, dynamische und chancenreiche Wachstumsregion, in der heute die Weichen für den Erfolg von morgen gestellt werden. Eine Bankengruppe, die in Deutschland ansässig ist und dort auch auf Konzernebene von BaFin und Deutscher Bundesbank beaufsichtigt wird, mit einem tiefgreifenden Verständnis für Osteuropa und beachtlicher Präsenz in dieser Region – so verstehen wir unsere besondere Marktposition.

Der Hausbank-Ansatz wurde in der jüngeren Vergangenheit durchaus kritisiert. Warum glauben Sie, damit erfolgreich sein zu können? Bietet er den KMU tatsächlich einen Mehrwert?

Betrachten wir zunächst die Art von Kunden, über die wir sprechen: In den Ländern, in denen wir tätig sind, beschäftigen sich erfolgreiche mittelständische Unternehmer vor allem damit, ihr Unternehmen operativ voranzubringen. Als Grundvoraussetzungen erwarten sie von einer Bank deren langfristige Zuverlässigkeit als Institution, die Integrität und die Kompetenz ihres Kundenberaters sowie die 24/7-Verfügbarkeit von Kerndienstleistungen. Diese Unternehmer verstehen sehr genau, dass es für ihr Unternehmen bei einer Kreditaufnahme wichtiger ist, ein auf den individuellen Bedarf abgestimmtes und gut strukturiertes Darlehen zu erhalten, als kommentarlos Kreditwünsche in großer Höhe erfüllt zu bekommen. Dies ist häufig leichter gesagt als getan. Aber eine Institution, die das bieten kann, trägt ganz wesentlich zur finanziellen Stabilität dieser Unternehmen bei. Ich bin davon überzeugt, dass eine Bank, die in diesen Zusammenhängen denkt, für die Region von großer Bedeutung ist. ProCredit will als entwicklungsorientierte Bankengruppe eine Vorreiterrolle als „Hausbank“ für KMU in diesen Märkten einnehmen. Dass wir dafür hervorragend positioniert sind, zeigen unsere langfristigen, auf Vertrauen basierenden Kundenbeziehungen. Und unsere positiven Geschäftsergebnisse als Gruppe geben uns regelmäßig recht.

Sie bezeichnen die Aufgabe der Gruppe unter anderem als entwicklungsorientiert. Was verstehen Sie darunter? Gibt es einen Unterschied zwischen Ihren Geschäftskunden in Osteuropa und dem typischen deutschen „Mittelstand“?

Nein, es gibt da keinen echten Unterschied. Die Geschäftskunden, die ihre Bankgeschäfte mit uns tätigen, sind in den jeweiligen Ländern erfolgreiche Unternehmer. Für die weitere Entwicklung dieser Volkswirtschaften ist die Existenz eines stabilen, lebendigen und fortschrittlichen Unternehmertums absolut notwendig. Beispielsweise repräsentieren KMU in Osteuropa den weitaus größten Teil der Erwerbstätigkeit in der Bevölkerung, während Großkonzerne typischerweise einen geringeren Anteil als in Westeuropa einnehmen. In diesem Zusammenhang konzentrieren wir uns auf jene Kunden, die ihr Unternehmen mit viel Leidenschaft weiterentwickeln möchten. Insbesondere konzentrieren wir uns auf Kunden mit einer langfristig ausgerichteten Orientierung. Diese Haltung zu überprüfen ist natürlich nicht einfach und erfordert, Mitarbeiter sorgfältig auszuwählen und intensiv dafür auszubilden. Darüber hinaus sind wir der festen Überzeugung, dass ein faires, funktionierendes Finanzsystem eine stabilisierende Wirkung für die aufstrebenden Länder in Osteuropa hat. Mit unserem Engagement in der Region wollen wir einen aktiven Beitrag dazu leisten.

Allein mit dem Kreditgeschäft mit kleinen bis mittleren Unternehmen in Schwellenländern lässt sich doch im derzeitigen Zinsumfeld kein dauerhaft profitables Bankgeschäft betreiben?

Das verantwortungsvolle Kreditgeschäft mit KMU ist eine tragende Säule unseres Geschäftsmodells. Gleichzeitig sind wir so aufgestellt, dass wir ihnen das komplette Portfolio an Bankdienstleistungen – von E-Banking, automatisiertem Cash Handling bis zu internationalem Zahlungsverkehr – zur Verfügung stellen können. Wir bieten unseren Kunden neben dem persönlichen Ansprechpartner Zugang zu einem hochmodernen Filialnetz und den rund um die Uhr geöffneten 24/7-Zonen. Dies alles wird heute von einer „Hausbank“ erwartet und damit können wir uns von unseren Wettbewerbern unterscheiden. Wir bemühen uns um eine möglichst langfristige Partnerschaft mit unseren Kunden. Das ermöglicht es uns, unsere Kunden gut einschätzen zu können und ihnen transparente Konditionen anzubieten. Wir stellen eine aggressive Ausweitung des Kreditgeschäfts dabei aber ausdrücklich nicht als Zielgröße in den Vordergrund. Unsere Mitarbeiter werden daher nicht durch entsprechende Anreize dazu getrieben, die Kreditvolumina zu erhöhen. Wir jagen nicht um jeden Preis Geschäftsvolumen. Das Problem ist ja meistens: Wenn eine Bank ausschließlich vom Kreditvolumen getrieben wird, wird sie entsprechende Strukturen schaffen und die Unternehmenskultur und das Belohnungssystem dahingehend beeinflussen, dass dieses Ziel erreicht wird. Dies kann jedoch leicht dazu führen, dass Banken zur Überschuldung von Unternehmen beitragen, was wir wiederum unbedingt vermeiden wollen – aus Verantwortungs- und Risikoperspektive. Man kann dies also durchaus als einen Teil unserer Risikomanagementstrategie betrachten, der positive Auswirkungen auf unsere Risikovorsorge hat. Deshalb: Nein, wir eilen nicht Hals über Kopf mit dem nächsten attraktiven Kreditangebot zu unseren Kunden. Wir gehen transparent mit unseren Kunden um und wir sind überzeugt, dass sie auch uns gegenüber transparent sind.

Wie wollen Sie ausschließen, dass, wie Branchenkenner behaupten, Kreditinteressenten nur die für sie vorteilhaften Informationen offenlegen?

Entscheidend ist ein regelmäßiger Dialog und intensiver Informationsaustausch. Dieser schließt regelmäßige Präsenztermine bei unseren Kunden vor Ort mit ein, denn wir haben den Anspruch, unsere Kunden nicht nur vom Schreibtisch aus zu analysieren. Wir folgen somit konsequent dem „Know Your Customer“-Prinzip (KYC) und nehmen Geldwäscheprävention überaus ernst. Wir sehen uns durch unsere niedrigen Ausfallraten, die typischerweise viel geringer sind als der Durchschnitt des Finanzsektors des jeweiligen Landes, in unserem Ansatz bestätigt.

Sie richten hohe Anforderungen an ihre Belegschaft. Wie wollen Sie die erwartete Qualität der Analyse gewährleisten?

Ja, für unser Geschäftsmodell ist es absolut erfolgsentscheidend, dass es von kompetenten, gut ausgebildeten und integren Mitarbeitern betrieben wird. Das berücksichtigen wir bereits bei der Personalauswahl. Wir sind eine der wenigen Bankengruppen, die gruppenübergreifend einen einheitlich strengen Auswahlprozess verfolgt und unternehmensweit das anbietet, was in Deutschland als Duale Ausbildung bekannt ist. Wir wählen dabei nur ca. 2% aller Bewerber für unser Einstiegsprogramm aus. Und mit unseren Kunden darf er oder sie erst dann eigenständig arbeiten, wenn mindestens 18 Monate Ausbildungszeit absolviert wurden. Aber hier hört es nicht auf: Wir bieten intern eine gründliche und kontinuierliche Weiterbildung, die sehr viel Zeit in unseren lokalen und regionalen Trainingszentren vorsieht. Oder nehmen Sie unsere Gruppensprache Englisch – wir sorgen durch Englischkurse dafür, dass alle unsere Mitarbeiter in dieser Sprache arbeiten und kommunizieren können. Wer in das Top-Management der ProCredit-Gruppe aufrücken möchte, muss außerdem vorher erfolgreich unsere Akademie in Deutschland durchlaufen. Unser Geschäftsmodell als „Hausbank“ kann nur durch die richtigen Mitarbeiter erfolgreich umgesetzt werden. Meine Kolleginnen und Kollegen geben mir heute uneingeschränkt die Zuversicht, dass wir unser Geschäftsmodell in allen Ländern, in denen wir tätig sind, erfolgreich umgesetzt haben.

Zur Person:

Borislav Kostadinov ist seit 2001 für die ProCredit-Gruppe tätig und war bereits Vorstandsvorsitzender in unterschiedlichen Banken der Gruppe. Seit 2014 ist er Mitglied des Vorstands der ProCredit Holding in Frankfurt am Main. Herr Kostadinov verantwortet unter anderem den Bereich Kreditrisikomanagement und Umweltmanagement und hat den Vorsitz des Aufsichtsrats mehrerer Banken der ProCredit-Gruppe inne.

Über das Unternehmen:

Die ProCredit Holding AG & Co. KGaA mit Sitz in Frankfurt am Main, Deutschland, ist die Muttergesellschaft der international tätigen ProCredit-Bankengruppe, die aus mehreren Banken mit operativem Fokus auf Bankdienstleistungen für kleine und mittlere Unternehmen in aufstrebenden Volkswirtschaften Südost- und Osteuropas besteht. Zu den Hauptaktionären der ProCredit Holding AG & Co. KGaA gehören die strategischen Investoren Zeitinger Invest und ProCredit Staff Invest, die verschiedene Investmentvehikel für ProCredit-Mitarbeiter umfasst, sowie die niederländische DOEN Foundation, die KfW und die International Finance Corporation (Weltbank-Gruppe).

Ähnliche Artikel

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"