Computer - IT-Sicherheit

Sind Deutschlands Defizite bei der Digitalisierung eine Altersfrage?

Dass die Bundesrepublik Deutschland bei der Digitalisierung hinter anderen Industrienationen hinterherhinkt, ist ein unbestrittener Fakt. Besonders deutlich wird das bei einem Vergleich mit den USA und an der Tatsache, dass deutsche Unternehmen an vielen Stellen auf amerikanische Entwicklungen zurückgreifen müssen. So sind beispielsweise die Betreiber der beiden weltweit bedeutendsten Suchmaschinen (Google und Bing) in den USA ansässig.

Welche Faktoren hemmen die Digitalisierung in Deutschland?

Dazu liegen inzwischen gleich mehrere Studien vor. Sie zeigen, dass nicht allein der schleppende Ausbau schneller Datennetze dafür verantwortlich ist. Eine Studie der Options Group Deutschland ist besonders interessant. Sie legt einen Zusammenhang mit den Altersstrukturen der Vorstände der bedeutendsten Unternehmen nahe. Das Durchschnittsalter der Vorstandsmitglieder bei den S&P 500-Unternehmen liegt bei 63 Jahren. In dieser Generation gibt es erhebliche Berührungsängste mit den digitalen Technologien. Die Studie der Options Group untermauert die Resultate einer Studie der Havard University, nach welcher nur ein reichliches Viertel aller befragten Vorstände angab, sich aktiv für die Digitalisierung einzusetzen.

Spielt die Größe des Unternehmens bei der Digitalisierung eine Rolle?

Quelle: pixabay.com/Darwin Laganzon

Das legen die Ergebnisse einer Umfrage des Branchenverbands Bitkom aus dem Jahr 2018 nahe. Keine der befragten Großunternehmen mit mehr als 2000 Mitarbeitern gaben an, die Digitalisierung verpasst zu haben. Bei mittelständischen Unternehmen mit bis zu 99 Mitarbeitern zeigt sich die Lage anders. Hier sind sich fünf Prozent der Befragten bewusst, dass sie einem notwendigen Trend nicht folgen. Mit der Größe der Unternehmen steigt nach der Bitkom-Umfrage auch die Zahl der Befragten, die sich und ihr Unternehmen als Vorreiter bei der Digitalisierung ansehen. Das lässt nur die Schlussfolgerung zu, dass die personellen Reserven einen wichtigen Einfluss darauf haben, ob von den Unternehmen die Digitalisierung vorangetrieben wird oder nicht.

Fehlende Infrastrukturen jagen sogar deutsche Unternehmen ins Ausland

Ein Beispiel ist die Volkswagen AG. Der Automobilbauer richtet neue Entwicklungszentren ein. Man sollte annehmen, dass ein deutsches Unternehmen dafür auch einen Standort in Deutschland auswählt. Doch das ist falsch. Eines der neuen VW-Entwicklungszentren entsteht in Seattle in den USA. In einem Interview mit der Redaktion der Sonntagsausgabe der Frankfurter Allgemeinen gab der VW-Chef (Herbert Diess) an, dass die Lücken in der deutschen IT-Branche der Hauptgrund für diese Entscheidung sind. Deutschland braucht also nicht nur bessere Infrastrukturen, sondern muss sich auch um ausreichend Nachwuchs bei den IT-Experten kümmern. Anderenfalls werden andere Großunternehmen dem Vorbild Volkswagen folgen und mit ihren Entwicklungsabteilungen ebenfalls ins Ausland abwandern.

Viele Unternehmen haben Sicherheitsbedenken

Nach den Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums wurden in den Jahren 2015 und 2016 mehr als die Hälfte aller in Deutschland beheimateten Unternehmen Opfer von Hackerattacken. Außerdem tun sich einige Unternehmen noch immer mit der Umsetzung der Bestimmungen der europäischen Datengrundschutzverordnung (DSGVO) schwer. Sie befürchten, trotz hoher Sicherheitsstandards beim Umgang mit den Daten ihrer Kunden und Geschäftspartner dagegen zu verstoßen. Das zeigt, dass in Deutschland ein erheblicher Nachholbedarf bei der Aufklärung zu dieser Verordnung und zur Cybersicherheit besteht.

Digitalisierung ist in den Gesetzen noch nicht vollständig angekommen

Auch das ist ein erhebliches Problem. Derzeit werden beispielsweise im Steuerrecht die Freiberufler noch benachteiligt, die sich Unternehmen als externe IT-Spezialisten holen könnten. Sie können die Kosten für den Arbeitsplatz im eigenen Heim nur dann absetzen, wenn er sich in einem separaten Arbeitszimmer befindet. Dabei ist das oft gar nicht notwendig. Außerdem greifen für Freiberufler die Mindestlohnregelungen nicht. Hinzu kommt die Tatsache, dass sich die Auftraggeber in Deutschland nicht an den Kosten für die Sozialversicherung beteiligen müssen. Dort könnte ein Blick in die USA helfen, wo es solche Regelungen bereits gibt.

Weitere Lücken bestehen im Wettbewerbsrecht. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie arbeitet bereits mit Hochdruck daran, zumindest einige dieser Lücken mit Gesetzesänderungen zu schließen. Außerdem sollen Förderprogramme aufgelegt werden, mit denen kleine und mittelständische Unternehmen ihre für die Digitalisierung zuständigen Mitarbeiter kostengünstig qualifizieren können. Doch auch das läuft bisher viel zu langsam, als dass Deutschland den Anschluss an die Vorreiternationen bei der Digitalisierung zeitnah schaffen könnte.
Fazit: Deutschland hat auf dem Weg zu einem hohen Niveau der Digitalisierung einige Probleme zu lösen. Die ersten richtigen Schritte sind gemacht, aber das Ziel ist noch längst nicht in Sicht.

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